Robust und "eingereiht": 

Wanderfahrt nach Dolgenbrodt, 3. bis 5. September 2022

 

„Und in dem Berührtwerden von etwas Unwandelbarem, in der Wahrnehmung von dem ewigen Eingereihtsein des Menschen in den Haushalt der Natur liegt der Zauber dieser Einsamkeitsdörfer.“ (Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Bd. IV: Spreeland, Kap. „Von Dolgenbrodt nach Teupitz“).

 

Es wäre wohl übertrieben, wollte ich einen Satz von dieser Gravität zum Motto unserer drei Tage im Dahmeland erheben. Mir als dem Jüngsten, der das erste Mal dabei war, stünde es nicht zu. Diese Wanderfahrt ist eine Institution. Seit nunmehr 55 Jahren. Natürlich spricht auch die Ausgelassenheit dagegen, die dort zu Wasser und zu Land unser Begleiter gewesen ist. Und doch war etwas dran an dem „Berührtwerden“, das Fontane vor 140 Jahren dieser Gegend so schön zugeordnet hat.

 

Robust und anmutig sind sie: die Unstrut, ein Dreier, die Lahn und die Dessau, zwei Doppelvierer mit Steuermann. Ein paar Tage vor der Abfahrt befüllten wir die Vierer mit Wasser, damit das Holz der Bordwände sich dehnte und die Risse und Ritzen sich schlossen. Das gab schon eine Vorahnung vom Fontaneschen „Eingereihtsein“. Neue Kähne fahren kann ja jeder. Wer aber hütet und trimmt schon ein Boot, das 1923 auf der Raguhner Mulde eingefahren wurde? Elegant und durchaus schnittig glitt sie durchs Wasser, die gute alte Dessau. Ja, und die etwas schwerere Lahn natürlich auch. Bei jedem Schlag spürt man die Sorgfalt und das Herzblut, die in diese treuen, alten Gigs geflossen sind, Jahre und Jahrzehnte. Danke an Karl-Heinz (Kalle) Kieffer, an Eberhard Schmidt und all die anderen.

 

Am Samstag kamen wir am späten Vormittag in Zernsdorf an. Bei der ESV Lok wurden die Boote montiert und startklar gemacht, die Bäuche, wie man das so tut, mit feinen Würsten gefüllt (ein Dank an Grillmeister Holger Lohmann), und los ging es über den Krüpelsee, die Dahme entlang zunächst bis Gussow. Dort ruhten wir aus und stärkten uns bei Kaffee und Kuchen (danke an Renate Schmidt, der Kuchen war unvergleichlich) und kühleren Getränken. Dann ging es weiter, bis wir kurz hinter dem Dolgensee anlegten und unser Quartier im Gasthaus Kober bezogen. Am nächsten Tag führten uns unsere Skulls und Steuerleute nach Klein-Köris. Beim RV Sparta wurde gerastet. Das Mittagsmahl mundete wenig später in einem nahen Gasthaus. Auf der Rückfahrt am Nachmittag machten wir die Boote noch im seichten Wasser einer Badestelle fest und erfrischten unsere ertüchtigten Körper im kühlen Nass des Schmöldesees, bevor wir, weniger erschöpft als beglückt, in unserem Quartier wieder eintrafen. Am nächsten Morgen, das war dann schon Montag, ging es wieder zurück nach Zernsdorf. Dort wiederholte sich’s – in umgekehrter Reihenfolge: Booteverladen, Wurstessen und Wende über Steuerbord – zurück nach Hause.

 

16 Mann waren wir, Männer zwischen 45 und 83 Jahren, 13 auf dem Wasser und drei als Landkommando. Dolgenbrodt, das war schon immer so, da fahren wir doch nicht mit, hatten auf meine Nachfrage zwei unserer weiblichen Vereinsmitglieder zustimmend und freundlich lächelnd genickt. Nun, das muss sicherlich nicht so bleiben. Aber es darf!

 

Anmut, die zarte, natürliche Schönheit der Gestalt und Bewegung, würde ich nicht unbedingt für uns reklamieren. Aber robust sind wir, pflegeleicht und genügsam, und robust war auch die Unterkunft. Bier gab's und auch mal 'nen Schnaps und abends im Biergarten hinterm Gasthaus eine wunderbar rustikale Küche. Die Nächte waren angenehm und erholsam, wenn man nicht gerade das Glück hatte, dass einem die Koje vibrierte, weil unten einer im Traum ganze Wälder rodete und weder von Pfeifen noch Schmatzen sich abbringen ließ.

 

Die Wirtin haben wir ins Herz geschlossen. Vielleicht beruht es ja auf Gegenseitigkeit: Das gehaltvolle Frühstück, das sie uns servierte, mit Rührei und Schinken und allen Schikanen, und die geistreichen Sprüche, mit denen sie uns begegnete, sprechen schon dafür.

 

Anmut besaß das Land, besaßen vor allem anderen der Fluss und die Seen. Spätsommerlich wärmte die Sonne, ein lauer Wind schmiegte sich mehr an, als dass er uns – die Wellen eingangs auf dem Krüpelsee blieben die Ausnahme – etwas abverlangte. Gleichmäßig und gleichmütig, in unseren Gedanken nicht zu oft durch Kommandos der Steuerleute oder anderer Berufener unterbrochen, fuhren wir dahin. Alt und jung, Techniker und Träumer, Kämpfer und Denker. Bei Tisch wurde auch mal politisiert, aber unendlich mehr wog der Geist des Gleichschlags in der Stille des Gewässers.

 

„Jene Schweigelust überkam uns, die nach einem schönen, an Bildern und Eindrücken reichen Reisetage auch den Heiter-Gesprächigsten anzuwandeln pflegt und, weder in Ermüdung noch in Verstimmung wurzelnd, ihren Grund in dem plötzlichen Berührtwerden von dem Ausgehen alles Glückes, von der Endlichkeit aller Dinge hat.“ (Fontane, ebd.)

 

Nein, die "Schweigelust" am Ende des Reisetages hielt sich bei uns in Grenzen. Heiterkeit machte die Runde. Und dann kam bald schon die Müdigkeit. Doch ja, die Gedanken an das, was war und dereinst sein wird, sie kamen uns. Es war die 54. Fahrt der RVD nach Dolgenbrodt. Manche sind im oder mit dem Boot alt geworden, manche wollen es. "Einsamkeitsdörfer" sahen wir nicht, wohl aber Bilder um uns und in uns, die das Leben reich machen. Und wir dachten an unsere in diesem Jahr erst heimgegangenen Kameraden, die oft mit dabei gewesen sind: Volker Surke, Manfred Schär und Dr. Joachim Göricke.

 

Unserem Fahrtenleiter Harald Schmidt, der die Fahrt in klassischer Manier, präzise und mit großer Übersicht, organisiert hat, gilt unser aller Dank.

 

Männer, es war großartig.

 

Euer "Doktor" (Jan Brademann)

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