Je älter man wird, desto mehr braucht man einen Weißt-du-noch-Freund (Tilla Durieux (1880–1971). 

Wanderfahrt nach Dolgenbrodt vom 2. bis 4. September 2023

 

Nichts auf dieser Welt wiederholt sich. Jedes Déjà-vu muss unvollendet bleiben. Wir sind ja längst andere geworden, und auch die Umstände wandeln sich beständig. Und doch ist die Sehnsucht groß in uns nach dem Unveränderlichen, nach dem verlässlich immer Wiederkehrenden. In ihm hebt sich unsere Begrenztheit auf.

 

Es war wie im letzten Jahr: Nach Zernsdorf fuhren wir am Sonnabendmorgen; dort machten wir die Boote klar und stärkten uns. Die Lahn – sie ist nun hundert Jahre alt –, die Dessau und der Pirat, das sind drei Doppelvierer mit Steuermann. Einen von ihnen trieben meist nur sechs Arme an – den jüngsten und zugleich leichtesten, versteht sich, den Pirat, der etwa 1980 gebaut wurde, nicht in Plankenbauweise, wie die beiden anderen, sondern mit Wänden aus Sperrholz. Mit zwei kleineren Schleifen – man muss ja auch auf seine Kilometer  kommen – ging es wieder über Gussow nach Dolgenbrodt und am Sonntag bis Klein Köris, zum Essen dann nach Groß Köris, bevor wir am Montag wieder zurück nach Zernsdorf ruderten. Am Ende konnte sich jeder 60 Kilometer gutschreiben. Mit 19 Mann zwischen 46 und 85 war das Gasthaus Kober gut belegt. Was unsere Körper in Bewegung umsetzten, wurde ihnen wieder zugeführt, nicht ohne auch die geschulteren Gaumen auf ihre Kosten kommen zu lassen: Des Morgens wie am Abend mundeten uns die Köstlichkeiten, die die Küche des Gasthauses bereithielt. Auch unterwegs gab’s die nötigen Erfrischungen.

 

Freilich: Der neue „Bierfuchs“ – ein Posten, der, so wurde beschlossen, demjenigen zukommt, der die wenigsten Fahrtenkilometer aufzuweisen hat – er zierte sich kurz mit seiner "Neuwasserlage". All seinen ehrenhaften und eifrigen Bemühungen zum Trotz, doch zugleich seinen schalkhaften Kameraden zur diebischen Freude, wurde er diesen Makel nicht wieder los. Auch die Mahnung unseres Poeten Herbert, der das Landkommando anführte, „Wer durch des Argwohns Brille schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut“, blieb erwartungsgemäß wirkungslos.

 

Und ja: Von ihrem edlen Spender immer wieder mit salbungsvollen Worten angepriesen, wurde auch diese eine Flasche bekömmlichkeits- und stimmungsfördernden, italienischen Magenbitters nicht geleert. Überhaupt verkroch des Abends alles schon früh sich ins Nest. Das war neu, und neu war auch der aus FVK (Faserverbundkunststoff) gefertigte Flaschenhalter an jedem Stemmbrett – Kalle, der dafür sorgte, dass die Boote liefen und durchhielten, sei auch für diese Innovation Dank.

 

Doch sonst war alles beim Alten geblieben. Das Alte, es erdet. Es lehrt uns Demut und macht uns dankbar. Zum 55. Mal fuhren die Dessauer Jungsenioren die Dahme entlang. Ein jeder konnte dies stolz anzeigen, auf einem neuen, schönen Trikot – unserem Fahrtenleiter sei Dank. „Kochi“, auch „Keule“ genannt, schon damals, am Anfang, dabei, machte seinen 4.170. Kilometer voll. Und Harald, nicht viel später dazugekommen, hat auch diese Fahrt wieder zur Freude und zum Dank aller geplant und geleitet. Er will nächstes Jahr wieder im Boot mitfahren. Wir wünschen es ihm von Herzen.

 

Die Alten – was wäre dies alles ohne sie? Wie ließe im Heute sich Glück recht bemessen, ohne zu lauschen den Worten über das Gestern? Die Gläser erhoben wir auf Hans-Joachim Schmidt, Kirchenamtsrat und Ruderkamerad und Mitbegründer dieser Wanderfahrt. 120 Jahre genau lag seine Geburt am Sonnabend zurück. Manch einem frischt das Gedächtnis sich auf. Manch einer staunt oder freut mit dem Andern sich mit. Dieser gedenkt, jener vergleicht. Doch das Gleiten, das stille und stete, das sich in uns wie mit dem Gleichschlag der Ruder von Jahren zu Jahren vollzieht, nimmt jeden in sich hinein, der das Erlebte vernimmt und neu teilt. Mit „Weißt Du noch?“ will darum nicht nur Erfahrung Erfahrung befragen: Die Jungen sind auch angesprochen und danken - wie alle - von Herzen.

 

Euer „Doktor“ (Jan Brademann)

Kontakt

Rudervereinigung Dessau e.V.

Tiergarten 3

06842 Dessau-Roßlau

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Offenes Bootshaus für alle immer am Donnerstag von 14:30 bis 20:00 Uhr

 

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